Das was ich kaum in Worte fassen kann ist das, was ich durch Farben und Formen kommuniziere. Die Welt besteht nun mal aus viel mehr Schichten als ich Worte für Ihre einzelnen unterschiedlichen Erscheinungen habe. Dazu kommen die ganzen Sozialen- und Emotionalenbilder in denen ich in irgendeiner art und weise verhaftet und verstrickt bin. Wie soll ich also, wenn ich mich als Maler sehe, eine Welt, die mit Farben und Formen begreifbar und erklärbarer wird nun mit Worten beschreiben was eben genau das ist was ich zeige. Wäre dies dann nicht wie wenn ein Schriftsteller auf einmal aufhört mit Worten zu malen? Oder ein Musiker auf einmal kein Instrument mehr benutzt?
Für mich ist es wichtig die Sprache der Malerei zu benutzen, unabhängig von der optischen Abstraktion von Gegenständen, Landschaften oder Menschen.
Ich arbeite eher Gegenstandslos, wobei man da schon eine Diskusion beginnen könnte, schlieslich ist Farbe und Untergrund schon Gegenstand mit Aussagekraft.
Ich bemühe mich Ideen und Gedanken in einer Sprache auszudrücken, die nicht oder nur nur Teilweise mit analytischen Rastern verstanden werden kann.
Mir geht es viel um Emotionen, um Wahrnehmung, um Bewusstheit darüber, das Kommunikation auf anderen Ebenen funktioniert als nur auf dem Sprachwortverständniss und dem Wissen welcher Gegenstand
welche Bedeutung und welchen Namen hat.
Ich benutze Lacke, auf Öl sowie Acrylbasis, Ölfarben, Putze, eigentlich fast alles was mir in die Hände kommt.
Ein ganz wichtiger Malgrund ist für mich Wellpappe, da ich dort gut mit Feuer und Reißtechniken Dinge formulieren kann, die auf einer Leinwand zum Beispiel nicht so gesagt werden könnten.
Der 1981 in St. Tönis geborene Maler Pascal Olders absolvierte sein Kunststudium an der Ruhrakademie. Sein künstlerisches Werk ist von einer abstrakten Formensprache bestimmt. Olders arbeitet nicht selten mit dem reinen, fleckenhaften Farbauftrag und rekurriert damit auf die kunsttheoretische Topik des Flecks, deren lange Tradition als Chiffre für den ästhetischen Eigenwert der Farbe bis zur berühmten, bei Plinius überlieferten Anekdote vom Wurf des farbigen Schwammes des antiken Malers Protogenes zurückreicht. Seither steht der Fleck in der klassischen Kunsttheorie für das unwillkürlich Entstandene, das Wilde, das ungeplante und vor allem zufallsgenerierte Kunstwerk. "Ein Fleck kann qua definitionem nicht intentional hergestellt werden: es ist nicht möglich, einen Fleck zu malen oder zu meißeln. Will man einen Fleck erzeugen, so müssen geeignete Bedingungen hergestellt werden, damit er von alleine, autopoietisch entstehen kann. Der Fleckenproduzent muß dem Material erlauben, zu spritzen, zu klatschen und zu schmieren." (F-Weltzin: Von Cozens bis Kerner. Der Fleck als Transformator ästhetischer Erfahrung, 2006)
E. von Kahler
Wildbewegte Farbenwelten –
– das ist der erste Eindruck, wenn wir Pascal Olders Atelier oder eine seiner Ausstellungen besuchen: gestrichene, gelaufene, geworfene und gesprengte Flächen von Acryl und Lack, deren wirre Wirbel uns unwillkürlich in Bann ziehen.
Der Künstler arbeitet informell; seine Bilder entstehen auf der Suche nach gültigen Möglichkeiten, das Pulsieren und Fließen menschlicher Erfahrung zum Ausdruck zu bringen, wahrgenommene sensuelle, emotionale und intellektuelle Fragmente in die Sprache von Form und Farbe umzusetzen, ein unergründliches Gebiet, aus dem Pascal Olders mit vollen Händen schöpft.
Als Medium, auf dem er seine Vorstellungen entäußert, ist ihm nahezu alles willkommen, was ihm begegnet und anregt, ob es Tapeten oder Dachlatten oder abgelegte Dinge sind, die er aufhebt. Dabei übersteigt er manche Schranke von Maß und Zahl und prüft in umfangreichen Serien vom kleinen Quadrat über metergroße Kartonagen bis hin zur begehbaren Malinstallation die ungewöhnlichsten Formate, die zumeist weder regelmäßig noch exakt beschnitten sind – ein Tribut an die grundsätzliche Unvollkommenheit unseres Tuns.
Besonders faszinierend sind die Werke, bei deren Entstehung Brandprozesse wesentlich beteiligt sind: Die an manchen Partien präparierten Gemälde werden entzündet, für kurze Zeit dem Feuer ausgesetzt und mit nassen Tüchern gelöscht. Die intensiven Erlebnisse dieser Momente, das plötzliche Auflodern, das Flackern, Prasseln und die Hitze der Flammen tragen ihren Widerschein in das gesamte Schaffen des Künstlers hinein, etwa in sein Spiel mit den Farben.
Auch die Ergebnisse der Verbrennung sind eine Weiterführung der Motive, eine Ästhetik der letztlich zufälligen Schichtung glänzend verkohlter Relikte, der Staffelung samtrußig bröckelnder Ränder und der Anlagerungen flockiger Aschen.
In seinen Akten geht Pascal Olders mit uns vom Konkreten zum Abstrakten, von rudimentären Konturen, die eine geschwungene Flanke oder einen abgewandten Rücken ahnen lassen, hin zu gestischen Farbimpulsen, die stürmisch über die Fläche eilen. Es ist, als sei der Mensch in seiner Bloßheit nicht zu fassen, als entwerfe sich sein Wesen und seine Befindlichkeit über die Grenzen des Körpers hinaus und hülle ihn in immaterielle Gewänder.
Im Wechsel von lasierend gestrichenen und pastos verlaufenden Partien kommt der Untergrund wie ein Palimpsest immanenter Mustern in Wellen, Streifen, und Riffeln zur Geltung. Die Pappe, die der Künstler häufig wählt, spricht auch von seinem bewussten Umgang mit der Vergänglichkeit: Alles ändert sich, auch die Kunst, halten lässt sich nur der Augenblick, auch der eines Bildes. Damit ist garantiert, dass es immer spannend ist.
So wird die „blaue Stunde“ der Dämmerung zu einer neuen Erfahrung: aus den dunklen Tumulten eines ungestalten Universums hin zur wolkenweißen Atmosphäre über der Bläue des Planeten, durch die finstere Nacht in die Helligkeit des Eislandes im Wasser und in ein Schnee treibendes Gestöber unter dem blanken Himmel.
Eigentlich verzichtet Pascal Olders auf Titel und gibt uns die Freiheit, unser Gespür, Gefühl, Gemüt, unsere Gedanken weit zu öffnen und in seinen Welten auf Reisen zu gehen.
Zum Beispiel in den 2015 entstandenen Karees auf Holz, in deren umschlossener Dichte die Farbe nicht nur in ihrer Tonigkeit, sondern auch in der Konsistenz an Bedeutung gewinnt.
Das ihr charakteristische Flüssige wird gerade durch die Erstarrung betont, die unterschiedlichen Trocknungsvorgänge formen die Oberflächen, zum Teil glatt und glänzend, zum Teil blasig, wie genarbt, wie gefaltet, wurmähnlich labyrinthisch. Die Lacke laufen ineinander, vermischen sich oder bleiben getrennt, verschieden gekörnte Substanzen werden eingerührt oder aufgestreut.
Manches ist ruhig ausbalanciert wie eine Kalligrafie, die uns auf einen Weg der Kontemplation schickt, anderes erweitert unsere Phantasie hin zu apokalyptischen Szenarien oder galaktischen Spezies, oft generieren sich die Reliefs zu Seen und Flüssen und Strömen und Meeren und Inseln darin.
Auch die andere Reihe aus diesem Jahr weckt topografische und geologische Assoziationen, dort sind vielleicht Kontinente und Krater und Katakomben ausgelegt wie Fundstücke in Schubladen, die aus den Schränken eines Museums rollen. Diesen Effekt erzielt Pascal Olders durch die in diesen Fall genormten Rahmen, in denen er Abstand zum inneren Tafelmotiv lässt. Die bisweilen an den Seiten vorhandenen Stempel mit Zahlen und Text wirken wie eine vermeintliche Archivierung.
Zu den bereits bekannten Phänomenen tritt in diesen Arbeiten zusätzliche Dynamik durch expressiv geführte Pinsel und die Collage grober Stoffe und Texturen – weitere Schritte der Gestaltung, die aus der Lust am Experiment entwachsen.
Neue druckgrafische Verfahren entwickelt der Künstler für seine Beschäftigung mit der nordischen Mythologie, der er sich über das Futhark-Alphabet nähert. Die zweite Rune Ur oder Uruz ist in mehreren Interpretationen sprachlich überliefert, darunter der Auerochse, der Regen und die Schlacke.
Alle drei Aspekte nehmen die Handdrucke mit Leinwand auf, in deren Zentrum das leuchtend rote nach rechts geneigte umgekehrte U der angelsächsischen Runenreihe steht wie ein fest unter seinen Hörnern beharrender Stier.
Zugleich erhebt sich das Zeichen, das je nach Farbauftrag und Kraftverteilung kompakter oder aufgelöster ausfällt, wie ein Zugang zu anderen Dimensionen, hinein in eine urtümliche Sphäre aus Feuer, Rauch, Asche und Wasser, die in gelben, schwarzen, grauen, weißen und blauen Gewölken aufscheint.
Für Aktionen und Events installiert Pascal Olders große Wände zu Gängen oder Winkeln, in denen Malerei und darin eingebundene Objekte uns von mehreren Seiten umgeben. Diese Gebäude der Zeitweiligkeit gewinnen durch die Klangimpressionen, die dem Künstler befreundete Musiker in sie hinein und aus ihnen heraus spielen, zusätzlichen Reiz.
Und am Ende unseres Spaziergangs finden wir zwischen all den Bildern eines mit Schrift, vielleicht eine Art Manifest, mit der Frage: „Was ist also Kunst?“
Dazu haben wir jetzt einige Ideen.
©2016 Dr. Jutta Höfel